Der im Juli 2020 präsentierte 3. Gutachterentwurf zum Deutschlandtakt sieht für die Achse Hamm-Hannover eine Reisezeit von zukünftig 54 min vor. Im Vergleich zum Stand von heute bedeutet das eine Reisezeitverkürzung um fast 25 min! Gelingen kann dies nur durch eine Neubaustrecke (Ausbaustrecke) für Spitzengeschwindigkeiten von 300 km/h. Das Projekt gliedert sich in zwei Abschnitte:
- Abschnitt: Neubaustrecke Hannover-Bielefeld mit einer Fahrzeit von 31 min (heute 48 min). Verkürzung der Fahrzeit um 17 min erforderlich. Trassenverlauf unklar!
- Abschnitt: Ausbaustrecke Bielefeld-Hamm(Westf) mit einer Fahrzeit von 21 min (heute 26 min). Verkürzung der Fahrzeit um 5 min erforderlich. Auf diesen Abschnitt soll die Bestandsstrecke ertüchtigt werden.
Erst im November 2020 Tag hat das BMVI konkrete Trassenplanungen für die Strecke Hannover-Bielefeld vor, die im Rahmen eines Dialogforums als Diskussionsgrundlage dienen. Insgesamt handelt es sich um fünf Varianten, die vom Büro Schüßler-Plan erarbeitet wurden.
Obwohl die Trassenvarianten bekannt sind, ist das Ziel meiner Betrachtungen, den Blick für mögliche Trassenverläufe zu erweitern und eine bessere Diskussion zu ermöglichen.
Warum 31 Minuten Fahrzeit?
In einem Taktfahrplan werden Umsteigebahnhöfe (s.g. Knoten) geplant, in denen zwischen Zügen verschiedener Linien kurze Umsteigezeiten entstehen. Dieser Fahrplan wiederholt sich in einem festen Rhythmus. z.B. stündlich.
Im Rahmen des Deutschlandtaktes sollen Hannover und Hamm solche Knoten sein. Damit optimale Anschlüsse an beiden Knoten entstehen, ist eine Reisezeit von 54 min vorgesehen, wovon wiederum 31 min auf die Strecke zwischen Hannover und Bielefeld entfallen.
Natürlich ist es legitim zu fragen, ob Hannover und Hamm wirklich Knoten sein müssen oder ob es die 31 min sein müssen oder ob es nicht noch andere Alternativen gibt!
Link zum Netzgrafik Nord auf der Seite vom Deutschlandtakt:
Warum 300 km/h?
Zunächst betrachte ich die heutige Bahnstrecke von Hannover über Wunstorf, Stadthagen, Minden, Bad Oeynhausen und Herford nach Bielefeld mit einer Streckenlänge von 109,5 km. Ließe sich diese Strecke prinzipiell in einer Fahrzeit von 31 min durchfahren? Dazu eine Überlegung: Ein ICE könnte auf die Streckenhöchstgeschwindigkeit beschleunigen und die Strecke bis zum Bremspunkt gleichbleibend durchfahren. Das Ergebnis steht in der nächsten Tabelle.
Hinweis zum Nachrechnen: Grundlage der Berechnung: ICE3 (BR 406) in Einzeltraktion, Vollbesetzung sowie 90% der Dauerleistung. Reine Fahrzeit ohne Pufferzeiten!
Geschwindigkeit | Beschleunigungsstrecke | Durchschnitt | Fahrzeit |
160 km/h | 2,5 km | 155 km/h | 43 min |
200 km/h | 5,1 km | 189 km/h | 35 min |
230 km/h | 8,3 km | 212 km/h | 31 min |
250 km/h | 11,4 km | 225 km/h | 29 min |
280 km/h | 19,1 km | 243 km/h | 27 min |
300 km/h | 29,0 km | 251 km/h | 26 min |
Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, müsste die Strecke einem ICE eine durchgehende Streckenhöchstgeschwindigkeit von 230 km/h ermöglichen, um eine Fahrzeit von 31 min zu erreichen.
Für die Erstellung von stabilen Fahrplänen ist das noch nicht ausreichend, hier müssen noch Pufferzeiten vorgesehen werden. Ob 2 Minuten ausreichend sind (gleichbedeutend mit 250 km/h Höchstgeschwindigkeit)?
Kurz: Die Streckenhöchstgeschwindigkeit für die Bestandsstrecke muss jenseits der 250 km/h liegen, damit ein stabiler und damit fahrbarer (Takt-)Fahrplan erstellt werden kann.
Warum kein Bestandsstreckenausbau?
Laut der Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung (EBO) sind für Geschwindigkeiten von 250 km/h mehr als 2250 m vorzusehen, für 300 km/h sind es schon 3350 m (Hinweis: Diese Radien haben etwas mit dem Reisendenkomfort Stichwort Fliehkräfte zu tun, physikalisch ist das im grünen Bereichen). Ein Blick in das Infrastrukturregister (ISR) der DB Netz AG offenbart, dass es an den Kurvenradien scheitert:
- Im Bereich von Wunstorf: 1080 m (max. 174 km/h)
- Bückeburg: 1225 m (maximal 187 km/h)
- Bahnhof Minden(Westf): 578 m (maximal 127 km/h)
- Porta Westfalica im Ortsteil Neesen: 1016 m (maximal 169 km/h)
- Bahnhof Herford: 955 m (maximal 163 km/h)
Im Durchschnitt muss alle 15 bis 20 km eine deutliche Verringerung der Geschwindigkeit erfolgen, die bei den langen Beschleunigungs- und Bremsstrecken (siehe Tabelle oben) eine Streckenhöchstgeschwindigkeit jenseits der 250 km/h einfach zu sinnvoll bzw. möglich sind.
Kurz: Eine neue Strecke bzw. Trasse muss her! Dazu im nächsten Beitrag mehr…
Anhang: Geschwindigkeitsrausch
Die Geschwindigkeiten, die auf Schienen gefahren werden, habe ich als Grundlage für die Berechnung oben gewählt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal bewusst machen, was diese Geschwindigkeiten bedeuten. Dazu die folgende Tabelle.
Geschwindigkeit | Pro Sekunde gefahrene Meter | Zeit für 1 km |
160 km/h | 44 m/sec | 22,5 sec |
200 km/h | 56 m/sec | 18,0 sec |
230 km/h | 64 m/sec | 15,6 sec |
250 km/h | 69 m/sec | 14,4 sec |
280 km/h | 78 m/sec | 12,9 sec |
300 km/h | 83 m/sec | 12,0 sec |