Ist schneller günstiger?
Das Planungsteam der Bahn für das Projekt Hannover-Bielefeld hat im August 2024 insgesamt zwölf Trassenvarianten für eine mögliche Hochgeschwindigkeitsstrecke veröffentlicht. Die Varianten bewegen sich im Wesentlichen in den zuvor ermittelten Grobkorridoren — mit einigen interessanten Erweiterungen.
Varianten im Detail
Zwei Erweiterungen sind bemerkenswert, weil sie in dieser Form zuvor in der Diskussion kaum beachtet wurden. Da ist zum einen die “Rückkehr” der Porta-Querung zu Fußen des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Porta Westfalica und zum anderen die “Streckung” des HGV-Abschnitts über Herford und Brake bis Bielefeld. Aber die Streckung des HGV-Abschnitts hat möglicherweise auch finanzielle Folgen…
Porta-Variante
Die Porta-Variante mit ihrer Durchfahrt des Porta-Durchbruchs (siehe Trassenvarianten V1 und V2). Aus betrieblicher Sicht interessant erscheint diese Strecke aus folgenden Gründen:
- Bei einer Verknüpfung mit der Bestandsstrecke im Bereich von Porta Westfalica (siehe Abbildung “Überleitung 1” und “Überleitung 2”) könnten auch die (schnellen) Züge der Relation Berlin-Amsterdam beschleunigt werden, Linien FV34.a/.b. Weitergehend wäre zu klären, ob auf der anderen Seite die Züge genügend Zeit für einen Halt in Minden hätten (siehe FV34.b, bei der es im 3. Gutachterentwurf nicht vorgesehen ist).
- Güterzüge, die im Deutschlandtakt in der Relation Hamburg-Ruhrgebiet, die über Nienburg-Minden verkehren, könnten in Porta auf die neuen Gleise wechseln und die Ost-West- und Nord-Süd-Verkehre im Abschnitt Minden-Löhne entzerren.
- In Tagesrandlage blieben Möglichkeiten erhalten, die schnellen Fernverkehrslinien bei moderaten Fahrzeitverlängerungen in Minden halten zu lassen.
Nicht vergessen werden sollte an dieser Stelle, dass der heute zweigleisige Abschnitt Wunstorf-Minden die wahrscheinlich größtmögliche Entlastung im Vergleich zu allen weiteren Varianten erfährt, da praktisch alle Fernverkehrszüge (theoretisch) im Abschnitt Bückeburg-Minden auf die neuen Gleise wechseln können statt auf der Bestandsstrecke zu verbleiben (siehe Fernverkehrslinie FV34 sowie die Fernregionallinie FR35). Ob eine solche Verknüpfung vorgesehen ist, ergibt sich derzeit nicht aus den Veröffentlichungen.
Herford-Varianten
Interessant an den Herford-Varianten ist der jetzt eingeplante tatsächliche Mehrwert der Planung in Form zweier zusätzlicher Gleise, die “bestandsnah” bis Bielefeld Hbf geplant wurden. Obwohl es der Grobkorridor nicht hergibt hat man die Strecke nördlich geplant um im einen für 300 km/h geeigneten Bogen in den Herforder Bahnhof zu gelangen und von dort weiter bis Bielefeld — zukünftig also sechs statt vier Gleise im Abschnitt Herford-Bielefeld.
Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Kapazität förderlich, war doch in den Vorplanungen des Ingenieurbüros Schüßler-Plan eine Einmündung der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Brake (bei Bielefeld) vorgesehen, von wo bis Bielefeld Hbf die bestehenden Gleise genutzt werden sollten. Die Konsequenzen aus der Vorplanung war u.a., dass Güterzüge anhalten mussten, um die Taktknotenzeit in Bielefeld abzuwarten (also der Zeitpunkt, an dem sich die Züge treffen und umgestiegen werden kann), weil schlichtweg Gleise fehlten, die ihre Weiterfahrt ermöglicht hätten. An dieser Stelle bleibt aber die Frage, was passiert westlich von Bielefeld Hbf, die Planungen des Abschnitts Bielefeld-Hamm sind immer noch nicht beauftragt — ein Fehlen des Ausbaus würde letztlich auch dazu führen, dass Züge warten müssen…
Aber auch für die Regionalverkehr ergeben sich Erweiterungsmöglichkeiten insbesondere im Abschnitt Herford-Bielefeld, die es in den bisherigen Vorplanungen nicht gab: Die Nahverkehrslinie N78 Ni von Elze über Hameln, Vlotho, Herford könnte bis Bielefeld Hbf weiterfahren — in den bisherigen Planungen hätte sich mit einem Fernverkehrszug um den “Platz” auf der Strecke streiten müssen.
Und sonst noch?
Die Streckung des HGV-Abschnitts bis Bielefeld hat noch eine weitere Konsequenz: Eine Reduktion der Fahrzeit auf 29 Minuten (statt 31 Minuten). Zum Vergleich: Auch die Neubaustrecke Würzburg-Nürnberg soll laut Deutschlandtakt eine Fahrzeit von 29 Minuten ermöglichen, bei in etwa gleicher Streckenlänge.
Aber nicht jede Variante würde diese Fahrzeit ermöglichen, sondern nur solche, die kürzer als 100 km sind: V1 bis V4 sowie V12; die Varianten V5 bis V11 sind zu lang. Leider gibt es keine Geodaten, anhand derer sich die Planungen überprüfen lassen.
Physikalisch interessant ist die rechnerische Betrachtung: Der Abschnitt Hannover Hbf — Seelze wäre dann der langsamste, für den Streckenanteil von rund 10% würden rund 20% der Fahrzeit aufgewendet werden müssen…
Konsequenzen
Was aber bringen die zwei Minuten? Diese Frage gewinnt im Zusammenhang mit dem Ausbau der Strecke Bielefeld-Hamm an Bedeutung. Gemäß des Deutschlandtaktes müssen die Knoten Hannover und Hamm in 54 Minuten Fahrzeit verbunden werden, die sich wie folgt aufteilen:
- 31 Minuten für Hannover — Bielefeld
- 2 Minuten für einen Halt in Bielefeld
- 21 Minuten für Bielefeld — Hamm.
Könnten also zwei Minuten im Abschnitt Hannover-Bielefeld gewonnen werden, so wäre denkbar, im Abschnitt Bielefeld — Hamm zwei Minuten “langsamer” zu fahren. Das wiederum könnte einen anderen, möglicherweise auch günstigeren Ausbau zur Folge haben, denn ggf. wäre eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h gar nicht notwendig, es könnten auch 230 km/h völlig ausreichend sein.
Fazit
Die vom Planungsteam veröffentlichten Trassenvarianten beinhalten doch interessante Details, nehmen sich aber auch des Kapazitätsproblems im Knoten Bielefeld an. Leider bleibt bis heute die Betrachtung des Abschnitt Bielefeld-Hamm aus, die nicht nur hinsichtlich der Kapazität sondern auch der Fahrzeit bedeutsam wäre.
Bei allen doch möglichen Konsequenzen für den Eisenbahnbetrieb bleibt die Frage nach den Umweltauswirkungen, da einige Varianten bspw. Schutzgebiete durchqueren oder tangieren und nach dem Zeitpunkt der Wirkung, schließlich kommt der Klimawandel nicht 2045, sondern wir sind mittendrin.