Im Rah­men des Deutsch­land­tak­tes ist der Streck­e­naus- bzw. ‑neubau von Han­nover über Biele­feld nach Hamm für bis 300 km/h geplant. Zen­tral ist, dass die Fahrzeit von heute 77 Minuten auf zukün­ftig 54 Minuten zwis­chen Han­nover Hbf und Hamm (Westf.) Hbf reduziert wird. Wie das ausse­hen kann erk­lären Doku­mente des Inge­nieur­büros Schüßler-Plan.

Abbil­dung 1: Über­sicht der Vor­pla­nun­gen des Inge­nieur­büros Schüßler-Plan zur Bahn­strecke Hamm-Biele­feld (bis Her­ford). Ein zen­traler Baustein stellt die Geschwindigkeit­ser­höhung des Abschnitts Brack­wede bis Hes­sen auf 300 km/h dar. Quelle: Schüßler Plan, veröf­fentlicht vom BMDV im Sep­tem­ber 2022.

Während für den Abschnitt Han­nover-Biele­feld der Pla­nungsauf­trag ergan­gen ist, fehlt der Abschnitt Biele­feld-Hamm. Für bei­de Abschnitte hat das Inge­nieur­büro Schüßler-Plan Infra­struk­tur­vor­pla­nun­gen erstellt, auf deren Basis der Zielfahrplan des Deutsch­land­tak­ts erar­beit­et wurde.

Im Abschnitt Han­nover-Biele­feld sollen sich laut Pla­nungsauf­trag der DB Netz AG eine NBS Han­nover-Biele­feld an den Vor­pla­nun­gen der Vari­ante Nr. 5 des Inge­nieur­büros Schüßler-Plans ori­en­tieren. Diese Vor­pla­nun­gen kön­nen auf der Web­seite des Pro­jek­ts Han­nover-Biele­feld einge­se­hen werden.

Schüßler-Plan: Infrastruktur für 300 km/h

Eben­so existieren Vor­pla­nun­gen des Inge­nieur­büros Schüßler-Plan für den Abschnitt Biele­feld-Hamm, auf dem eine Fahrzeitre­duzierung von heute 26 Minuten bei Tem­po 200 km/h auf 21 Minuten bei Tem­po 300 km/h vorge­se­hen wird. Dank Anfrage über das Infor­ma­tions­frei­heits­ge­setz (IFG, siehe https://fragdenstaat.de/a/251441) kon­nte eine Offen­le­gung erre­icht wer­den. Anders als im Abschnitt Han­nover-Biele­feld ist für Biele­feld-Hamm keine zusät­zliche Strecke geplant – die bish­erige ist bere­its die kürzeste Verbindung – son­dern der Aus­bau der beste­hen­den vier­gleisi­gen Strecke. Der s.g. Aus­bau sieht fol­gende Punk­te vor:

  • Zwis­chen Biele­feld-Brack­wede und Hamm-Heessen soll die heutige Per­so­n­en­bahn von 200 km/h auf 300 km/h ertüchtigt wer­den; erforder­lich sind auf ca. 58 km Länge eine s.g. Feste Fahrbahn (FF).
  • Erhöhung der Gleis- und Gefahren­ab­stände: Ein Gleis­paar, auf dem mehr als 200 km/h gefahren wird, muss untere­inan­der einen Abstand von 4,5 m (Gleis­mitte zu Gleis­mitte) haben — heute sind es 4,00 m (siehe Abbil­dung 2 oben).
  • Zwei zwei­gleisige Bahn­streck­en müssen untere­inan­der einen größeren Min­destab­stand besitzen: Statt 4,00 m heute wären 6,80 m (Gleis­mitte zu Gleis­mitte) anzuset­zen. Vier­gleisige Bahn­streck­en gibt es auf freier Strecke nicht, diese set­zen sich immer aus zwei zwei­gleisi­gen Streck­en zusammen.
  • Da bei ein­er Höch­st­geschwindigkeit von 300 km/h kein Bahn­steig an den Streck­en­gleisen zuläs­sig ist, müssen diese abgeris­sen wer­den. Sollen trotz­dem in dem jew­eili­gen Bahn­hof Bahn­steige vorhan­den sein, so muss ein Abzwei­gleis errichtet wer­den, an dem ein Bahn­steig gebaut wer­den kann. Diese Sit­u­a­tion muss für Güter­sloh Hbf umge­set­zt wer­den, schließlich sollen hier auch im Deutsch­land­takt Fer­n­verkehrszüge halten.
  • Laut Schüßler-Plan sind alle Eisen­bahn- und Straßenüber­führun­gen sowie Kreuzungs­bauw­erke neu zu errichten.
  • Neubau aller Bahn­steige an der heuti­gen Güterzugbahn. 
  • Neubau der Ober­leitungsan­lage auf gesamter Länge: Die heutige Ober­leitung überspan­nt abschnit­tweise alle vier Gleise. Laut Schüßler-Plan sind zwei unter­schiedliche Bauar­ten zu ver­bauen, die s.g. RE100/200 mit Längss­pan­nweit­en von 80 m und die RE250/300 mit Längss­pan­nweit­en von 65 m. 
  • Die Pla­nun­gen sehen einen zusät­zlichen Flächenbe­darf von rund 300.000 qm vor, was auf 58 km bezo­gen einen Streifen mit der Bre­ite von rund 5 m bedeuten würde.

Linien- oder Richtungsbetrieb?

Inter­es­sant wird sein, welche Betrieb­sart die DB Netz AG bei ihren Pla­nun­gen anlegt:

  • Lin­ien­be­trieb: In diesem Falle bliebe die Aufteilung wie heute, d.h. Per­so­n­en- und Güter­bahn nebeneinan­der. Wie oben erläutert wären aber ver­größerte Gleis- und Gefahren­ab­stände erforder­lich (siehe Abbil­dung 2 mitte).
  • Rich­tungs­be­trieb: Die Gleise wür­den so sortiert, dass jew­eils ein Gleis­paar in eine Rich­tung benutzt wird, dabei jedoch mit unter­schiedlichen Höch­st­geschwindigkeit­en (mit­tlere Gleise für HGV). Dieses ist diejenige Betrieb­sweise, die DB Netz AG auch für die Unter­suchung zum Aus­bau der Bestandsstrecke Han­nover-Biele­feld angenom­men hat. Nachteil im Ver­gle­ich zum Lin­ien­be­trieb ist der erhöhte Platzbe­darf, da in diesem Falle tech­nisch gese­hen drei Bahn­streck­en nebeneinan­der ver­laufen (siehe Abbil­dung 2 unten). 
Abbil­dung 2: Schema­tis­che Darstel­lung des Quer­schnitts der Bahn­strecke Biele­feld-Hamm: Oben die Sit­u­a­tion heute, d.h. die Gleise haben einen abstand von 4 m untere­inan­der. Würde bei ein­er zukün­fti­gen HGV-Infra­struk­tur der Lin­ien­be­trieb beibehal­ten, so müssten sowohl der Gleis­ab­stand der HGV-Gleise erhöht wer­den als auch der Abstand der HGV-Gleise zu dem übri­gen Gleis­paar (Darstel­lung Mitte). Im unteren Bild ist der Rich­tungs­be­trieb dargestellt, der laut DB Netz AG für den Bestandsstreck­e­naus­bau Han­nover-Biele­feld als Unter­suchungs­grund­lage ver­wen­det wird und als Opti­mum gilt. Nicht enthal­ten sind Lärm­schutzwände, die weit­ere Ver­bre­itun­gen nach sich ziehen. Eigene Darstellung.

Der Aus­bau der Bahn­strecke Biele­feld-Hamm ist für eine Kan­ten­fahrzeit von 54 Minuten zwis­chen den Tak­t­knoten Han­nover und Hamm zwin­gend erforder­lich, son­st kön­nen nicht alle Anschlüsse gewährleis­tet wer­den. Schon eine Ver­längerung der Fahrzeit um 2 Minuten würde zu Kon­flik­ten im Abschnitt Han­nover-Lehrte führen und die schnelle Verbindung Mün­ster-Magde­burg gefährden.

Aus-/Ab-/Neu-/Umbau?

Ins­ge­samt führt die Vor­pla­nung wesentliche Argu­mente der Diskus­sio­nen im Rah­men der Aus­baud­iskus­sio­nen zur Bahn­strecke Han­nover-Biele­feld ad Absurdum:

  1. Ein Aus­bau ein­er Bestand­strecke erfordere neue Schneisen in den Anrain­erkom­munen mit Häuserabris­sen und sei deswe­gen abzulehnen* — zwis­chen Biele­feld und Hamm ist dieser gar unausweichlich!
  2. Ein Aus­bau im Bestand sei in der Regel teur­er und dauert länger als eine Neubaus­trecke. Wenn dieses Argu­ment für Han­nover-Biele­feld gilt, dann gilt es natür­lich auch für Bielefeld-Hamm. 
  3. Ein Aus­bau ein­er Bestand­strecke macht Sper­run­gen während der Bauzeit erforder­lich. Aber auch das träfe auf Biele­feld-Hamm zu, denn selb­st für die heutige Güter­bahn wür­den Brück­en- und Ober­leitungsneubau Sper­rzeit­en erfordern.
  4. Ein streck­en­fern­er Neubau führt zur mehr Resilienz im Schienen­netz. Zwis­chen Biele­feld und Hamm wer­den zwar Bahn­steige an der Güter­bahn gebaut, es bleibt aber die Frage, ob gle­ichzeit­ig an der heuti­gen Per­so­n­en­bahn eben­falls neue Bahn­steige errichtet wer­den, schließlich muss der Platz dafür vorhan­den sein. Laut der vor­liegen­den Doku­menten find­et lediglich eine Ver­schiebung des Verkehrs statt. Sollte es zu einem Prob­lem auf der zukün­fti­gen Nahverkehrs­bahn kom­men, kön­nen die Züge weit­er­hin nicht auswe­ichen. Ob Bahn­steige an der Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut wer­den kön­nen hängt vom Platz inner­halb der Kom­munen ab.

*) Es muss natür­lich ange­merkt wer­den, dass die Pla­nung eines Bestand­saus­baus zwis­chen Han­nover und Biele­feld von Seit­en der DB Netz AG stets unter Maß­gabe ein­er Zielfahrzeit von 31 Minuten erfolgt! 

Im Weit­eren schafft der Aus­bau der Bahn­strecke Biele­feld-Hamm kein­er­lei zusät­zliche Kapaz­itäten, im Gegen­teil: die Geschwindigkeit­ser­höhung reduziert ins­ge­samt die Anzahl der Fahrmöglichkeit­en für alle Züge. 

Anbindung WLE

Aus den Unter­la­gen geht nicht her­vor, wie die Infra­struk­tur der West­fälis­che Lan­de­seisen­bahn (WLE) in Neubeck­um an die DB-Streck­en ange­bun­den wer­den sollen. Die Streck­en nach Mün­ster und Enniger­loh schließen an die Per­so­nen­zugstrecke an, die Strecke nach Warstein an die Güterzugstrecke. Züge von Enniger­loh nach Warstein müssen heute durch den gesamten Bahn­hof fahren.

Auf den bish­er auss­chließlich im Güter­verkehr genutzten Streck­en nach Mün­ster (Westf.), Enniger­loh und Warstein soll laut dem Ziel­netz 2040 NRW auch wieder Per­so­n­en­verkehr abgewick­elt werden.

Fazit

Die Veröf­fentlichung der Vor­pla­nun­gen von Schüßler-Plan zeigt, dass let­ztlich nur eine gemein­same Pla­nung des Aus­baus Han­nover-Hamm sinns­tif­tend ist! Sollte der Aus­bau des Abschnitts Biele­feld-Hamm nicht möglich sein, so ergibt eine Neubaus­trecke Han­nover-Biele­feld keinen Sinn, schließlich sprengt die ver­längerte Fahrzeit von 5 Minuten die Tak­t­knoten und bed­ingt damit eine Neu­pla­nung des Deutschlandtakts. 

Weit­ere Quellen:

[1] https://www.westfalen-blatt.de/owl/kreis-minden-luebbecke/ice-trasse-experte-fordert-planung-von-hamm-nach-hannover-2636304?pid=true&npg [2] https://www.szlz.de/aus-der-region-szlz_artikel,-iceneubaustrecke-auch-zwischen-bielefeld-und-hamm-noetig-_arid,2770926.html

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