Die Hybridtrassen
Das BMVI zwischenzeitlich fünf Varianten in die Planung für eine ICE-Strecke eingebracht hat, deren Planung Deutsche Bahn AG im Rahmen eines Bürgerdialogs voranbringen soll (siehe z.B. hier: Westfalen-Blatt: Beginn der Planungsphase).
Als Hybridtrassen bezeichne ich solche, die auf einem erheblichen Anteil ihrer Streckenlänge die Bestandsstrecke benutzen, der andere Teil stellt einen Neubau dar. Fast schon könnte man die “reinen” Neubaustrecken aus meinem letzten Beitrag als Hybridtrassen bezeichnen, werden doch immerhin auf 14% der Gesamtstrecke bestehende Bahntrassen genutzt. In diesem Beitrag soll es darum gehen, wie groß dieser Anteil maximal werden darf, um die Zielfahrzeit von 31 min aus dem Deutschlandtakt einzuhalten.
Hybridtrassen (bisher, BVWP)
Die Planung für eine solche Hybridtrassen sind schon seit 2003 Teil des Bundesverkehrswegeplan (BWVP):
- BVWP2003: Eine zweigleisige Neu- bzw. Ausbaustrecke Seelze-Haste und von Haste nach Porta Westfalica für jeweils 230 km/h Höchstgeschwindigkeit. In der folgenden Abbildung ist diese Variante in violett eingezeichnet.
- Der aktuell gültige Bundesverkehrswegeplan (BVWP2030, Stand 12/2020) sieht zusätzlich zur Variante aus 2003 noch den Ausbau von Porta Westfalica bis Löhne auf 180 km/h Höchstgeschwindigkeit vor. (Randnotiz: Es wird eine explizite Fernverkehrsanbindung von Minden vorgesehen; Gleichzeitig wird eine Tunnellösung um Porta Westfalica zur Abkürzung des mindener Bogens favorisiert.)

Wie ich bereits zuvor zeigen konnte, für eine Zielfahrzeit von 31 min zwischen Hannover und Bielefeld zwingend ein durchgehender Ausbau auf eine Höchstgeschwindigkeit von mindestens 230 km/h erforderlich. Aus diesem Grund ist bereits zu erwarten, dass die BWVP-Trasse(n) nicht zielfahrzeitkonform sein werden. Die Trassierung ließe es aber zu, im Abschnitt von Seelze bis Porta Westfalica eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h zufahren. Die Fahrzeiten habe ich in der nächsten Tabelle zusammengefasst:
Variante (Geschwindigkeit) | Streckenlänge | Fahrzeit (Puffer) |
heute (200 km/h) | 109,5 km | 43 min (+4 min) |
BVWP2003 (230 km/h) | ca. 106 km | 37 min (+4 min) |
BVWP2030 (230 km/h) | ca. 100 km | 33 min (+3 min) |
BVWP2030 (250 km/h) | ca. 100 km | 32 min(+3 min) |
BVWP2030 (300 km/h) | ca. 100 km | 31 min(+3 min) |
Es ergibt sich daraus, dass diese Trassenvarianten nicht für die Zielfahrzeit von 31 min geeignet sind! Die minimale Fahrzeit auf der BVWP2030-Variante beträgt 31 min, dazu muss noch ein Fahrzeitenpuffer berücksichtigt werden, sodass sich eine Fahrzeit von 34 min ergibt.
Notwendige Ausbauten
In meinem früheren Beitrag hatte ich dargelegt, dass ein Ausbau der 170 Jahre alten Strecke Hannover-Bielefeld aufgrund zu geringer Kurvenradien nicht in Frage kommt — jetzt schreibe ich hier von den Hybridtrassen, wie passt das denn zusammen?
Tatsächlich sieht die BVWP2030-Variante eine Begradigung aller Kurven vor, die nur geringe Höchstgeschwindigkeit zulassen. Fast alle — bis auf die Kurve nördlich des Bahnhofs Herford — werden durch neue Trassenstücke umgangen. Im Wesentlichen sind dies das Stück Letter bzw. Seelze bis Rehren und Bückeburg mittels Tunnel bis Porta Westfalica.
Neben der Geschwindigkeitserhöhung verkürzen die angesprochenen neuen Streckenabschnitte die Entfernung von Hannover nach Bielefeld um fast 10 km!
Hybridtrasse (Aus-/Neubau auf 300 km/h)
Eine weitere Hybridtrasse ergibt sich aus der Weiterentwicklung der BVWP2030-Variante und zwar dann, wenn die Trasse ab Bückeburg nicht auf Porta Westfalica zugeführt wird, sondern auf die BAB2, die bei der AST Veltheim erreicht werden könnte. Ab dann wird der Autobahn bis zur AST29 Herford/Bad Salzuflen gefolgt um dort wieder bei Brake in die Bestandsstrecke eingefädelt zu werden (siehe folgendes Bild).

Bei dieser auch ca. 100 km langen Variante ergeben sich einige beachtenswerte Punkte:
- Von Letter bzw. Seelze bis Brake(b Bielefeld) kann durchgängig mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h gefahren werden.
- Fast 38 km von ca. 100 km (38%) verlaufen entlang bestehender Bahnstrecken;
- Fast 77% der Strecke würden entlang bestehender Verkehrswege verlaufen.
- Diese Variante ist in 27 min reiner Fahrzeit (zuzüglich Pufferzeit) befahrbar, damit also tatsächlich in der vom Deutschlandtakt geforderten Zielfahrzeit von 31 min machbar.
Fazit
Von den hier dargestellten Hybridtrassen, also solche Varianten einer Neubaustrecke Hannover-Bielefeld, die auf einer erheblichen Länge bestehende Verkehrswege mitbenutzen, nur die Variante mit einer zusätzlichen, autobahnnahen Neubaustrecke Bückeburg-Brake die Zielfahrzeit von 31 min zu ermöglichen. Die in der aktuell gültigen Fassung vom Bundesverkehrswegeplan (BVWP) genannte Variante ermöglicht dies nicht!